Die Übungsanlage sah einen Terroranschlag und Angriff auf KKW vor, Propaganda, politische Erpressung. Darüber gab es im Frühling und Herbst 2018 Lageberichte 1 und 2. Nach Sabotage an kritischen Infrastrukturen folgten die Lageberichte 3 und 4, Frühling und Herbst 2019 und schliesslich eskalierte die Sicherheitslage: Die SVU 19 wurde durchgespielt. In die 52-stündige Übung wurden die bestehenden Sicherheitsstrukturen und –prozesse der Schweiz im Falle einer langanhaltenden terroristischen Bedrohung auf die Probe gestellt. Schweizweit wurden rund 70 Organisationen (Stäbe, Bundesstellen, Kantone, Städte und kritische Infrastrukturen) mit einbezogen. Die SVU 19 sollte überprüfen, wie die involvierten Sicherheitsorganisationen einen Krisenfall bewältigen können und wie sie in einer angespannten Terrorbedrohungslage zusammenarbeiten.
Die ausgedachten Anschläge und Drohungen waren gar nicht so weit von der Wirklichkeit entfernt. Mordanschläge, fast täglich Messerattacken, Diebstähle, Einbruchserien, Überfälle durch Vermummte, kriminelle Beschaffungsaktivitäten (Waffen, Sprengstoff), ständig Zugsverspätungen wegen Polizeieinsätzen oder technischen Störungen. Das ist doch keine Übung! Das steht täglich in der Zeitung und wer Pech hatte, war davon direkt betroffen! Es wurde also sehr schnell klar, dass solche Ereignisse auch einen terroristischen Hintergrund haben könnten. Es brauchte die SVU 19.
Die Antiterrorübung zwang Armee, Polizei, Zivilschutz, Grenzwache, Sanität und Bundesstellen zur Zusammenarbeit. Eine angenommene Terrorbedrohung, die sich über zwei Jahre immer mehr ausgeweitet hatte, stellte die Beteiligten vor die Herausforderung: Wie bewältigen die Sicherheitsorgane der Schweiz dies? Welches sind die kritischen Aspekte? Was kann daraus gelernt werden?
Die Übungsleitung kam zur ersten Erkenntnis: Durch die Zwei-Phasen-Übungsanlage (2018 und 2019 mit den Lageberichten 1-4) und einem Methodenmix konnten mehr Ergebnisse für den Schlussbericht gewonnen werden, als durch eine reine Stabsrahmenübung. Die zweite Erkenntnis der Übungsleitung: In Übungen kann mit neuen Formaten der Zusammenarbeit experimentiert werden. Bewährt sich ein Format, kann es künftig in weiteren Übungen – die wird es sicher geben – oder wirklichen Krisen (die es hoffentlich nicht gibt) verwendet werden. Die dritte Erkenntnis: Ein Teil Stabsrahmenübung (SRU) ist nötig, weil effiziente Stabsarbeit Grundvoraussetzung für das Führen in der Krise ist, viele Führungskräfte beherrschen dieses Handwerk aber nicht mehr.
Der Referent erklärte die Ausgangslage am 11.11.2019. Auch das ist durchaus realistisch: Massive Einschränkungen im Bahnverkehr, Hacking-Angriff auf Post-Finance Geldautomaten, Grossbrand nach Entgleisung eines Kesselwagenzugs. Zusätzlich kamen die Elemente Sabotagen an Bahngeleisen und Schaltanlagen ins Szenario, ein Terroranschlag im Bahnhof Zürich passierte, sowie Drohungen auf weitere Anschläge durch die Global Liberation Front. Alles hatte gewaltige Auswirkungen in der ganzen Schweiz. Die Bedeutung des Schienenverkehrs wurde einem so richtig bewusst. Das Drehbuch der SRU sah nicht viele kleine Ereignisse mit regionalen Konsequenzen vor, sondern wenige grosse Herausforderungen mit nationalen Konsequenzen!
Die vierte Erkenntnis der Übungsleitung drang unangenehm ins Bewusstsein: Die SVU 19 zeigte, dass die Auswirkungen, Interdependenzen und Herausforderungen einer komplexen Bedrohungslage unterschätzt werden. Umso wichtiger war es, über das Szenario der SVU 19 breit zu informieren. Das Drehbuch SRU enthielt Herausforderungen mit nationalen Konsequenzen, nicht Ereignisse:
- Terrorbedrohung
- Prozess in Bellinzona
- Ausland-Dimension
- Einschränkung Mobilität (Schiene, Strasse, Luft)
- Evakuierungsplanung
- Vergiftung Lebensmittel
Das strategische Ziel: Verhindert weitere Terroranschläge.
Die Regie blickte auf ihren Besuchen hinter die Kulissen, ein vollbepackter Tag. Die Besucher der Übung waren interessiert und konzentriert, wie die Mienen der beiden Bundesrätinnen Amherd und Keller-Suter ausdrücken. Das Medien-Interesse war gross. Über die sozialen Medien kamen selbst aus dem Ausland Reaktionen. Genau das war auch Absicht gewesen. Die SVU 19 sollte nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden sondern ins Bewusstsein der Bevölkerung gebracht werden.
Eine grosse Abschlussveranstaltung am 21. November 2019 liess viele Beteiligte mit Kurzreferaten und Stellungnahmen über ihre Eindrücke und Zusammenarbeit zu Wort kommen.
Oberst Hans-Jürg Käser schliesst seinen Vortrag mit der Erkenntnis Nummer 5: Der Einbezug der politischen Ebene von Bund und Kantonen ist bei einer SVU unerlässlich, gerade für die Abstimmung der Krisenkommunikation. Wie weiter? Geplante Termine und Entscheide für das Jahr 2020 stehen im Kalender.
Juli 2020: | Die Operative Plattform nimmt Empfehlungen zur Kenntnis |
August 2020: | Die Politische Plattform nimmt Empfehlungen zur Kenntnis |
November 2020: | Kantone (wie KKJPD und RK MZF) stimmen Empfehlungen zu und empfehlen Umsetzung Stufe Kantone |
Ende 2020: | Bundesrat stimmt Empfehlungen zu und beauftragt Umsetzung Stufe Bund |
Ende 2020: | Kantone (via KKJPD und RK MZF) sowie der Bundesrat beschliessen nächste Gesamtplanung grosser Übungen 2021 - 2027. |
Zum Schluss dieses Feuerwerks konnte man nur sagen: Chapeau! Hat jemand mal gesagt, Oberst Hans-Jürg Käser sei pensioniert? Diese intensive Leistung als Übungsleiter verdient unsere Bewunderung und auch den Dank der OG Stadt Bern, dass er im gleichen Jahr zwei Mal unser Gast war und uns an der SVU 19 so hautnah teilnehmen liess. Der grosse Applaus war verdient und der anschliessende Apéro lockerte die angespannte Aufmerksamkeit auf und endete in guter Kameradschaft.
Four aD Ursula Bonetti
Redaktorin