Zum zweitletzten Referat im Jahr 2024 begrüsste der Präsident der OG Stadt Bern, Oberst i Gst Frieder Fallscheer, Oberst i Gst Ueli Lang, den ehemaligen Chef der Abteilung IB V (Internationale Beziehungen Verteidigung). Er arbeitet heute als stellvertretender Militärrepräsentant der Schweiz bei der NATO und EU bereits in Brüssel, kam aber für uns extra nach Bern, was wir sehr zu schätzen wussten. Wir kamen in den Genuss eines aufschlussreichen Vortrages über internationale Beziehungen Verteidigung im Armeestab.
Brüssel, NATO, EU, Neutralität. Teilweise sind das für viele Schweizer Bürger «Reizthemen». Man weiss einfach zu wenig über diese internationalen Beziehungen. Oberst i Gst Ueli Lang schafft Abhilfe. Die Kurzzusammenfassung lautet: Im internationalen Kontext gilt es, die Interessen der Schweizer Armee zu vertreten und zu wahren. Dies ist die Rolle der internationalen Beziehungen V (IB V) im Auftrag des Chefs der Armee, KKdt Thomas Süssli. IB V ist für drei Bereiche der Militärdiplomatie verantwortlich: militärische Interessenwahrung und –vertretung in den multilateralen Beziehungen, Erbringung militärstrategischer und rechtlicher Voraussetzungen für internationale Einsätze, Kontakte und Ausbildungskooperationen, Leistungen von Beiträgen zu Prävention, Stabilität und Sicherheit im strategischen Interessenraum der Schweiz.
Was bewegt uns im Augenblick? Die geopolitische Lage zeigt, dass China und Russland näher zusammenrücken. Afrika ist unsicher, die Folge davon sind Migrationsströme. Wir müssen Risiken und Bedrohungen ernst nehmen. Die sicherheitspoltische Lage zeigt die Rückkehr des Krieges. Das ist uns mit Ukraine und Israel ins Bewusstsein zurück gebracht worden, wie man es noch bis vor Kurzem nicht gedacht hat. Es ist schwierig, die Kontrahenten an einen Tisch zu bringen. Putin will einen Grossmachtstatus für Russland, wie es die Sowjetunion hatte. Desgleichen fordert China den bisherigen Hegemon USA heraus. Die Geschichte einer angestrebten Weltherrschaft wiederholt sich, aber anders als bisher. Die Interessen werden heute offen mit Waffengewalt durchgesetzt.
Das grosse Thema ist die Neutralität. Pflichten und Rechte sind im Haager Abkommen festgelegt. Das Völkerrecht hat sich aber entwickelt (Briand Kelloggs Pakt, UNO Konvention). Wir haben eine Armee, damit wir die Neutralität auf unserem Territorium durchsetzen können. Die innere Logik ist jedoch, dass gegen Rechtsbrecher der UNO Konvention Neutralität eigentlich nicht möglich ist. Darum muss die Neutralität immer wieder erklärt und kommuniziert werden.
Warum und wie arbeiten wir deshalb mit der NATO zusammen? Ein wichtiger Grund ist die Technologie und die damit verbundenen Prozesse. Die Reichweiten der Waffensysteme sind stark gestiegen, darum spielen Abstandswaffen eine wichtige Rolle. Ein potentieller Gegner der Schweiz darf die Landesgrenze eigentlich nicht erreichen – er muss vorher gestoppt werden, wenn wir den Beschuss vitaler Ziele im Inland verhindern wollen. Wir müssen aber auch für eine Erfolgreiche Abwehr von Abstandswaffen in der Lage sein, Lagebilder und -informationen mit dem Ausland auszutauschen. Um den Erfolg im Einsatzfall sicherzustellen, müssen die entsprechenden Prozesse bereits vor einem möglichen Krieg beherrscht werden. Die verschiedenen Sensoren und Effektoren wirken in einem Netzwerk, der F35 liefert Informationen für das System PATRIOT oder für die künftige Artillerie. Führung und Ausbildung müssen auf diese Systemwelt ausgerichtet werden. Wichtig ist auch eine realitätsnahe Ausbildung auf entsprechenden Ausbildungsplätzen. Allentsteig (Österreich) oder Sennelager (Deutschland) bieten mit ihrer Grösse und den realitätsnahen Ortskampfmöglichkeiten inklusive Autobahnanschlüssen diese Möglichkeit.
Die Vorstellungen der Schweizer Armee für die Zukunft sind die Fähigkeitsbereiche die im Fähigkeitsprofil 2024 dargestellt sind. Dazu gehört auch der Stabsarbeitsprozess. Wir schauen an, wo die Schnittstellen sind. Wir müssen die Chancen des technologischen Fortschrittes nutzen. Europa rüstet auf, es gibt lange Lieferfristen. Gemeinsame Beschaffungen zusammen mit Partnern ergibt oftmals überhaupt die Möglichkeit Rüstungsmaterial mit einer vom Risiko her tragbaren Lieferfrist zu erhalten. Der Markt hat sich von einem Nachfrage- zu einem Anbietermarkt gewandelt.
Zur Ukraine wissen wir nicht, wie es weitergeht, sie ist nur ein erster Schritt. Präsident Putin denkt schon viel weiter. Waffensysteme müssen teuer eingekauft oder selber im eigenen Land entwickelt werden. Dazu braucht es hohe Technologie. Es braucht Munitionsfabriken. Wir müssen mitmachen um glaubwürdig zu bleiben.
Der Referent zeigt klar und deutlich auf, wie abhängig wir sind. Wir brauchen die Zusammenarbeit wie einen Stecker in der Steckdose. Die Schweiz ist ein Tummelplatz für Agenten, hier muss eine Antwort gefunden werden wie wir damit umgehen. Andere Staaten erwarten, dass wir etwas dagegen tun, ja, als neutraler Staat!
Nach dem Referat sind die Fragen und vor allem die Antworten eine hervorragende Ergänzung die nicht unerwähnt bleiben darf. Was können wir konkret geben? In der EU interessieren sich die Staaten für unser Ausbildungssystem für die Miliz, wie in nur wenigen Wochen ein hoher Ausbildungsstand erfolgen kann, dass ein Einsatz möglich ist. Von enorm grosser Bedeutung ist die Schweizer Industrie z.B. für die Verarbeitung von Titan für Teile von Waffensystemen. Wir sind im Bau von Drohnen fortgeschritten. Wir haben Logistikcentren die wir für Ausbildung zur Verfügung stellen können. Oberst i Gst Lang rüttelt uns buchstäblich auf: Wir müssen etwas Selbstvertrauen haben, wir erhalten nicht nur, wir können auch etwas, das wir zurückgeben können.
Dem ist nicht viel beizufügen, der Referent überzeugt. Wir haben viel Interessantes erfahren und sollten es weitergeben, wenn wieder einzig und allein auf das Haager-Abkommen gepocht wird.
Four a.D. Ursula Bonetti