Damit sind wir, die rund 40 Mitglieder und Gäste der OG Stadt Bern, als Zuhörer seines Referates am 1. Juli 2019 mitten drin, in Kriens, dem Zuhause der Gst S. Die Gst S hat als Organisationseinheit der Höheren Kaderausbildung (HKA) die folgenden Aufgaben wahrzunehmen:
- Grund- und Weiterausbildung der Generalstabsoffiziere sowie der Offiziere und höhere Unteroffiziere in Stäben Grosse Verbände (Gs Vb);
- Simulatorgestützte Stabsausbildung der Direktunterstellten CdA, Gs Vb und LG HKA;
- Leistet mit Partnern aus dem Sicherheitsverbund Schweiz (SVS) und ausländischen Sim Anwendern Beiträge zur Weiterentwicklung der simulatorgestützten Ausb im Umfeld der konstruktiven Simulation;
- BGO und weitere Lehrmittel der oberen takt Fhr Stufe;
- Unterstützung der Op S bei der mil strat – op Stufe (Op LG A)
Die Sim Anlagen sind allerdings von 1995. Sie werden bis 2021 ersetzt und Br Dattrino wie auch das Betriebspersonal freuen sich darauf. Übungen werden bereits revidiert und angepasst. Bei der Schulung Sim ist kein einziger Soldat draussen im Militärdienst. Der beübte Verband hat keine Berührungspunkte zum Sim und sieht die Anlage nicht. Wie in Echtzeit wird mit Führungsinformationssystemen, Papier, mit Funk und Telefon gearbeitet. Die Schreibende hat das einmal als Gast in Kriens beim GLG III mit der FU Br 41 erlebt. Es war faszinierend. Wie hat das Spass gemacht, eine Verbindung aufzubauen und zu erfahren, dass es immer noch funktioniert! Im Kdo Führungssimulator arbeiten 60% zivile Angestellte als Fachlehrer, teils langjährige Mitarbeitende. Die Drehbücher werden je nach Bedürfnis erstellt. So hat das DEZA eine Übung „Erdbeben“ durchgeführt. Da sassen selbst Israeli und Palästinenser im gleichen Raum. Im Ernstfall wären ja beide Völker betroffen. Die zivilen Partner sind keine gespielten Rollen. Es sind echte Personen von SBB, Feuerwehr, Polizei, Medien, GWK und sogar Regierungsräte aus der Innerschweiz, die voll mitmachen, als gälte es ernst.
Wie auf Kommando ertönt das Stampfen von Stiefeln und skandiertes Geschrei von der Gasse her bis in den Vortragssaal hinauf: Eine echte Demo der Antifa, von der Reithalle her kommend. Es tönt unheimlich und die Fenster werden geschlossen. „Das war wirklich nicht geplant“, meint Br Dattrino gefasst, „aber das ist Realität, und es könnte eskalieren.“ Dann braucht es Reaktion, Stäbe und gezielte Führung.
In den 20 Jahren der heutigen Gst S haben insgesamt 30‘000 Kommandanten und Stabsmitarbeiter von „Grossen Verbänden“ und Lehrgängen sowie den Partnern aus dem „Sicherheitsverbund Schweiz“ gelernt:
Verhaltenssicherheit heisst WOLLEN
Verfahrenssicherheit heisst KÖNNEN
Handlungssicherheit heisst TUN
Pro Jahr beginnen rund 40 Kandidaten nach erfolgten Eintrittsprüfungen den GLG I. Nach dem GLG II werden die Offiziere nach dem Bestehen der Lehrgänge zu Gst Of und zum Major befördert. Es besteht unter den Milizoffizieren grosses Interesse für die Gst Kurse. Br Dattrino sieht darin eine Chance guter Durchmischung von BO und Miliz, von Akademikern (oder Uni- und Hochschulabsolventen) und Anwärtern aus anderen Berufszweigen. Sie haben ganz besonders den Ehrgeiz auf Herausforderung und Leistung für eine spätere Stabstätigkeit.
So lautet denn die Kernkompetenz eines Gst Of:
- Komplexe Probleme strukturiert erfassen;
- Analytisches und vernetztes, ganzheitliches Denken;
- In Varianten denken;
- Jederzeit den Überblick behalten sowie durch ein permanentes Zeitmanagement die Zielerreichung sicherstellen;
- Präzision und Denken in der Arbeit;
- Lösungsorientierte, fehlerfreie Resultate von hoher Qualität liefern, dies auch unter Zeitdruck und hoher Belastung.
Wobei wir wiederum beim Gewinn einer militärischen Führungsausbildung für den zivilen Arbeitsplatz angelangt sind. Die Leitgedanken sind:
- Fokus auf den Menschen;
- Die Verbandsausbildung steht im Zentrum. Neben der Ausbildung in der spezifischen Funktion liegt das Schwergewicht auf der funktionsübergreifenden Stabsarbeit.
- Die Stabsoffiziere sind innerhalb der FGG (und in Stabsgruppen) polyvalent auszubilden.
Maurizio Dattrino spricht davon, warum er als Kdt Gst S in den Lehrgängen ein paar Dinge geändert hat, ohne die grossen Verdienste seines Vorgängers schmälern zu wollen. Mit Humor erzählt er von eigenen Erlebnissen als Rekrut, als junger Offizier. Aus diesen Erfahrungen lehrt er heute: „Geben Sie Befehle, die umsetzbar sind; und zwar bis hinunter zum Soldat, der den Befehl ausführen muss.“ Er geht noch einen Schritt weiter. Er führte ein, dass nach einer Auftragserteilung nicht sofort und wie wild mit der Arbeit angefangen wird, sondern „Sitzen und Denken“. Das bringe sehr viel mehr, als unreflektiertes sofortiges Handeln. Man muss es regelrecht lernen, zu denken, bevor man den Mund öffnet oder ein Gerät bedient. Möglicherweise geht es nämlich ums Überleben. Neue Szenerien zu bilden ist extrem schwierig, weil sich die Weltlage dauernd und rasant verändert. Wir müssen uns vorstellen, dass wir aus der Komfortzone heraus kommen könnten. Bei Übungen darf nicht alles schön sein: „Übe, wie du kämpfst.“
Behelfe und Reglemente werden angepasst und revidiert, doch geht das nicht von heute auf morgen. Das Ziel ist, einen Divisions-Arbeitsplatz zu schaffen für grosse Übungen. Noch fehlt es an genügend Unterkünften und Logistik.
Das war weit mehr als eine Rak-Rohr-Ladung. Einige der Anwesenden haben Div Hans Bachofner noch gekannt, ein früherer Kommandant des Kommandos Generalstabskurs, kurz KGK genannt. Zwischen seinen Kursunterlagen von 1987 (noch Kalter Krieg!) und dem, was heute in Kriens gelehrt und geübt wird, liegen Welten. Es hat eine gewaltige und positive Entwicklung stattgefunden, und ist weiterhin im Gange. Mit einem Kommandanten wie Br Maurizio Dattrino an der Spitze kann es nur eins geben: „Mir nach, FORZA!“
Four aD Ursula Bonetti